Abschichtung in Erbengemeinschaften: So kehren Sie der Zwangsgemeinschaft den Rücken
Erbengemeinschaften sind Zwangsgemeinschaften, bei denen Zwist und Streitereien nicht selten auf der Tagesordnung stehen. Oft ziehen sich die Auseinandersetzungen darüber, was mit dem gemeinsamen Nachlass geschehen soll, über Jahre hin. Für Miterben, die eine unliebsame Erbengemeinschaft verlassen möchten - und zudem möglicherweise zeitnah Bedarf an flüssigen, finanziellen Mitteln haben - bietet sich eine sogenannte Abschichtung an. Aber Vorsicht: Das rechtliche Konstrukt der Abschichtung in Erbengemeinschaften hält nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile bereit. Lesen Sie im folgenden Beitrag, was Sie dazu wissen sollten.
Inhaltsverzeichnis
Was genau bedeutet Abschichtung in Erbengemeinschaften? ➤ Beispiel
Was sollten Sie bei einer Abschichtungsvereinbarung beachten?
Was passiert mit Schulden bei einer Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Welche Vorteile hat die Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Welche Nachteile birgt die Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Welche Alternativen zur Abschichtung in Erbengemeinschaften gibt es?
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1. Was genau bedeutet Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Insbesondere das Erbrecht überrascht regelmäßig mit seltsam anmutenden Begriffen: Die Abschichtung in Erbengemeinschaften gehört zweifellos in diese Kategorie. Sie bezeichnet die Möglichkeit von Miterben, aus einer Erbengemeinschaft auszutreten, indem sie auf ihre Rechte verzichten. Grundsätzlich haben sie bei einer Abschichtung per se keinen Anspruch auf eine Abfindung für ihren Verzicht - diese (übliche) Entschädigung müssen sie vielmehr mit den anderen Miterben aushandeln und sollte anschließend in einer Abschichtungsvereinbarung dokumentiert werden.
Der Abschichtung findet sich wörtlich nicht im, Bürgerlichen Gesetzbuch, sondern geht auf ein Urteil des Bundesgerichtshof aus dem Jahr 1998 zurück. Explizit in den Paragraphen §1935, §2094 und §2095 des BGB ist dagegen eine Konsequenz der Abschichtung geregelt: Die "Anwachsung". Sie bezeichnet den logischen Umstand, dass der Erbteil der übrigen Miterben "anwächst", wenn ein Erbe die Gemeinschaft verlässt.
Wichtig:
Die Abschichtung in Erbengemeinschaften erstreckt sich ihrem Wesen nach nicht auf mögliche Schulden des Erblassers. Der austretende Miterbe bleibt für jede Nachlassverbindlichkeit des Verstorbenen weiterhin haftbar.
Beispiel: Die Familie Müller und die Abschichtung in Erbengemeinschaften
Die Familie Müller steht vor der schwierigen Entscheidung, wie sie mit dem Erbe ihres verstorbenen Vaters umgehen soll. Herr Müller hat eine Immobilie hinterlassen, aber die Kinder sind uneins darüber, ob sie sie behalten oder verkaufen sollen.
Die Situation: Herr Müller ist verstorben, und seine Kinder stehen vor der Aufgabe, sein Erbe zu verwalten. Ein Kind, Lisa, benötigt dringend finanzielle Mittel für eine medizinische Behandlung, während die anderen Kinder, Peter und Julia, das Erbe lieber behalten möchten.
Die Entscheidung für die Abschichtung: Nach langen Diskussionen entscheiden sich die Kinder dafür, eine Abschichtung in Erwägung zu ziehen. Sie erkennen an, dass Lisa dringend Geld benötigt, und sind bereit, sie aus der Erbengemeinschaft auszuschließen.
Die Herausforderungen: Die Kinder müssen sich über die Details der Abschichtung einigen, einschließlich der angemessenen Abfindung für Lisa und der Haftung für etwaige Schulden des Vaters.
Die Lösung: Nach intensiven Verhandlungen und Beratungen mit einem Anwalt einigen sich die Kinder auf eine Abschichtungsvereinbarung. Lisa erhält eine angemessene Abfindung, und die Haftung für Schulden wird geklärt.
Das Ergebnis: Die Abschichtung ermöglicht es Lisa, die dringend benötigte medizinische Behandlung zu finanzieren, während Peter und Julia das Erbe behalten können, ohne finanziell belastet zu sein.
Dieses Beispiel illustriert die Bedeutung einer sorgfältigen Planung und Abstimmung in Erbengemeinschaften und zeigt, wie die Abschichtung eine Lösung bieten kann, wenn die Familienmitglieder unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen haben.
2. Was sollten Sie bei einer Abschichtungsvereinbarung beachten?
Punkt | Erläuterung |
---|---|
Form der Vereinbarung | Es gibt keine vorgeschriebene Form für die Abschichtung in Erbengemeinschaften. Auch für den Fall, dass Immobilien Teil des Nachlasses sind, ist keine spezifische Formvorgabe oder notarielle Beurkundung erforderlich (da der ausscheidende Erbe nicht über die Immobilie verfügt). |
Notarielle Beurkundung | Wenn Sie als Gegenleistung für das Verlassen der Erbengemeinschaft eine Immobilie, ein Grundstück oder den Gesellschaftsanteil an einer GmbH erhalten, muss die Abschichtsvereinbarung notariell beurkundet werden, um Rechtskraft zu erlangen. Ebenfalls ist eine notarielle Beurkundung erforderlich, wenn Sie bereits als Miteigentümer von Immobilien im Grundbuch eingetragen sind, da der Notar die entsprechende Grundbuchberichtigung veranlasst. |
Vorsichtsmaßnahmen | Bei erbrechtlichen Angelegenheiten ist Vorsicht geboten. Es gibt keine Garantie dafür, dass Ihre Miterben, mit denen Sie sich heute einvernehmlich über Ihr Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft geeinigt haben, morgen noch genauso denken. Es wird empfohlen, Ihren Verzicht auf den Erbteil, den Austrittszeitpunkt, den Zahlungstermin für die vereinbarte Abfindung sowie alle weiteren Absprachen, insbesondere zur Haftung gegenüber Gläubigern, notariell beurkunden zu lassen. Die Abschichtungsvereinbarung ist mit Notarkosten verbunden, erspart Ihnen jedoch spätere unangenehme Überraschungen. |
Gut zu wissen:
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem wegweisenden Urteil zur Abschichtung in Erbengemeinschaften entschieden, dass der Erbschein durch das Ausscheiden eines Miterben nicht ungültig wird oder seine Rechtskraft verliert (3 W 20/13). Die verbliebenen Miterben müssen im Falle einer Abschichtungsvereinbarung keinen neuen Erschein beantragen. Der Erbschein bezeugt nach Ansicht der Richter allein die "personale Erben-Eigenschaft", nicht die Tatsache der vermögensrechtlichen Position.
3. Welche Gegenleistung ist bei einer Abschichtung angemessen?
Grundlage für die Berechnung der Abfindungshöhe für den Verzicht auf den Erbanteil ist natürlich der Wert dieses Anteils. Das setzt wiederum voraus, dass Sie ihn kennen müssen. Entscheidend ist zudem der tatsächliche Wert, also abzüglich eventuell vorhandener Verbindlichkeiten, Hypotheken und dergleichen. Es gibt, wie erwähnt, keine gesetzliche Vorgabe zur Zahlung einer Gegenleistung bei einer Abschichtung in Erbengemeinschaften - die verbleibenden Erben leisten diese prinzipiell also freiwillig.
Sie müssen bei Ihren Verhandlungen berücksichtigen, dass die Miterben sich weiterhin um die Verwaltung des Nachlasses kümmern müssen, während Sie sich der Verantwortung entledigen. Erfahrungsgemäß müssen Sie daher zumeist nicht unerhebliche finanzielle Zugeständnisse machen. Diese können umso höher ausfallen, je schneller Sie die Abschichtung erledigt wissen wollen. Es gilt: Die Höhe der Abfindung bei einer Abschichtung in Erbengemeinschaften hängt wesentlich vom Verhandlungsgeschick des initiierenden Erben und der vorhandenen Kompromissbereitschaft der verbleibenden Erben ab.
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4. Was passiert mit Schulden bei einer Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Die Abschichtung in Erbengemeinschaften gerät immer dann zu einem äußerst riskanten Unterfangen, wenn der Erblasser Schulden hinterlassen hat. Das BGB bestimmt eindeutig, dass der ausgeschiedene Erbe den Gläubigern gegenüber weiterhin in der Pflicht bleibt. Um dieser Gefahr zu entgehen, gibt es zwei Möglichkeiten:
Sie vereinbaren mit der Erbengemeinschaft im Innenverhältnis eine Haftungsfreistellung - und fixieren diese in der Abschichtungsvereinbarung.
Oder Sie kontaktieren jeden einzelnen Gläubiger und verhandeln jeweils separat eine Haftungsfreistellung. Beide Optionen sind nicht immer einfach zu bewerkstelligen, sodass von einer Abschichtung bei nachweislichen Schulden des Erblasser eher abzuraten ist.
5. Welche Vorteile hat die Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Empfehlenswert, wenn eine Einigung über eine angemessene Abfindung erzielt werden kann.
Geeignet, wenn die übrigen Erben über ausreichende Liquidität verfügen.
Besonders nützlich, wenn größere finanzielle Mittel dringend benötigt werden.
Vorteilhaft, wenn zum Nachlass keine Verbindlichkeiten gehören oder eine Haftungsfreistellung ausgehandelt wurde.
Führt zur Auflösung der Erbengemeinschaft, beispielsweise bei zwei Geschwistern.
In Erbengemeinschaften mit klarer „Fraktionsbildung“ kann ein größeres Einvernehmen erreicht werden.
Möglichkeit, Notarkosten zu sparen, insbesondere wenn Immobilien oder Grundstücke vererbt wurden.
6. Welche Nachteile birgt die Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Größter Nachteil ist die unverminderte Haftung für die Verbindlichkeiten des Erblassers.
Eine Haftungsfreistellung im Innenverhältnis erfordert oft zähe Verhandlungen und finanzielle Zugeständnisse.
Abschichtung macht keinen Sinn, wenn die Erbengemeinschaft keine angemessene Abfindung zahlen kann oder will.
Unklug, wenn der Nachlass Positionen enthält, die einen Wertzuwachs generieren, da man auf Rechte als Miterbe verzichtet und nicht mehr an Wertsteigerungen partizipiert.
7. Welche Alternativen zur Abschichtung in Erbengemeinschaften gibt es?
Der Gesetzgeber betrachtet Erbengemeinschaften nicht als Dauereinrichtung. Neben der Abschichtung in Erbengemeinschaften räumt er daher jedem Miterben ein paar Möglichkeiten ein, die Zwangsgemeinschaft zu verlassen.
Alternative | Beschreibung |
---|---|
Verkauf des Erbteils | Jedes Mitglied der Erbengemeinschaft hat das Recht, seinen Anteil am Nachlass zu verkaufen. Allerdings bezieht sich der Anteil auf den gesamten Nachlass und nicht auf einzelne Vermögenswerte. |
Erbauseinandersetzung | Dies bezeichnet das Verfahren, bei dem der Nachlass unter den Miterben aufgeteilt und die Erbengemeinschaft aufgelöst wird. Oft führt dies jedoch zu rechtlichen Auseinandersetzungen und kann Jahre dauern. |
Erbabwicklung | Der Miterbe überträgt die Auseinandersetzungen mit den Miterben einem Dritten, der die Aufteilung des Nachlasses durchsetzt, möglicherweise auch vor Gericht. Der Miterbe behält 75 bis 85 Prozent seines ursprünglichen Erbanteils. |
8. Abschichtung in Erbengemeinschaften: Es kommt auf den Einzelfall an
Eine klare Empfehlung kann für das Modell der Abschichtung in Erbengemeinschaften ebenso wenig abgegeben werden, wie der Ratschlag, bloß die Finger davonzulassen. Es kommt immer auf die Konstellationen des Einzelfalls an.
👍 | Benötigt ein Miterbe zeitnah einen größeren Betrag und sind die Miterben gewillt und in der Lage diese Zahlung zu leisten, so ist die Abschichtung in Erbengemeinschaften eine willkommene Lösung. |
👎 | Anders sieht es aus, wenn der Nachlass viele Verbindlichkeiten enthält, die Miterben hoffnungslos zerstritten sind und mit dem sprichwörtlichen Ach und Krach nur eine vergleichsweise geringe Abfindung ausgehandelt werden kann. |
Abschichtung in Erbengemeinschaften - FAQs
Was ist eine Abschichtung in Erbengemeinschaften?
Die Abschichtung steht für das Recht, aus einer Erbengemeinschaft auszutreten. Sie ist gleichdeutend mit dem Verzicht auf alle Rechte als Miterbe, allerdings entbindet sie nicht von der Haftung für eventuelle Schulden des Erblassers. Die Abschichtung in Erbengemeinschaften ist gewöhnlich mit einer Abfindung verbunden, vorgeschrieben ist diese aber nicht.
Wann ist eine Abschichtungsvereinbarung sinnvoll?
Wenn Sie eine gute Abfindung mit den Miterben aushandeln können und in nächster Zeit größere finanzielle Mittel benötigen, kann das Modell der Abschichtung in Erbengemeinschaften für Sie eine attraktive Option sein. Vorausgesetzt, zum Nachlass gehören nicht Verbindlichkeiten, für die Sie haften müssen.
Muss ein Abschichtungsvereinbarung notariell beurkundet werden?
Nein, es sei denn, Sie erhalten als Abfindung Immobilien, Grundstücke oder Gesellschaftsanteile. Trotzdem empfiehlt es sich, die Abschichtungsvereinbarung freiwillig notariell beurkunden zu lassen, um ein rechtsverbindliches Dokument über die getroffenen Absprachen in der Hand zu haben.
Ist die Abschichtung in Erbengemeinschaften immer möglich?
Juristisch betrachtet ja. Wenn die übrigen Miterben sich jedoch weigern, Ihnen eine Gegenleistung für Ihren Verzicht zu zahlen, macht ein solches Verlassen der Erbengemeinschaft wirtschaftlich keinen Sinn. In einem solchen Fall sollten Sie eher über einen Verkauf Ihres Erbteils nachdenken.
Themengebiet: Immobilienerbschaft
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